Diener

Es war einmal ein mächtiger König. Er war ein gütiger und gerechter Herrscher, wenngleich er auch sehr streng war. Sein Reich war so riesengroß, daß sich ein Mensch das gar nicht vorstellen konnte.

Es versteht sich von selbst, daß dieser König auch eine Menge Diener hatte. Einige waren direkt in seinem wunderschönen Palast, andere wieder waren fast dauernd unterwegs, denn in diesem großen Reich gab es eine Vielzahl von Aufgaben zu bewältigen. So waren eine ganze Reihe von Dienern einzig damit beschäftigt, jenen Menschen im Reich des Königs zu helfen, die gerade irgendwelche Schwierigkeiten hatten. Andere wieder waren abkommandiert, besonders auf die Kinder im Reich aufzupassen und darauf achtzugeben, daß keinem von diesen Kleinen etwas passierte. Und einige der Diener waren als Boten eingeteilt, um den Menschen Anweisungen des Königs zu übermitteln.

Der König hatte auch einen Sohn, den er über alles liebte und mit dem er sich sehr gut verstand.

Und dann gab es noch etwas ganz Besonderes, geradezu Einzigartiges in diesem Reich: Jeder Mensch, der den König achtete und verehrte und den Sohn des Königs liebhatte, der durfte ein Adoptivkind des Königs werden. Die Adoptivkinder standen unter dem besonderen Schutz des Königs, und er versprach ihnen, daß sie einmal mit ihm und seinem Sohn zusammen in seinem riesigen Palast werden wohnen dürfen.

Es gab aber auch Zeiten, da ärgerte sich der König sehr und wurde überaus zornig. Dies hatte folgenden Grund:

Es gab doch tatsächlich Menschen in seinem Reich, die sich anmaßten, seinen Dienern etwas befehlen zu wollen. Sie baten die Diener, zu ihnen zu kommen, ihnen zu helfen oder sie zu beschützen. Manche Leute verehrten die Diener geradezu, obwohl das oberste Gebot im ganzen Reich war, nur den König alleine zu verehren.

"Was bilden sich diese Mengen ein?" fragte sich der König. "Ich bin der Herrscher, und meine Diener sind alleine mir untertan."

Das Absurde an der ganzen Angelegenheit war ja folgendes: Der König würde den Menschen von Herzen gerne helfen, wenn sie nur zu ihm kämen und ihn darum bäten. Aber das taten viele Menschen nicht, und das machte den König traurig.

Wenn Du, lieber Leser, einen Diener hättest, wäre es Dir recht, wenn ein anderer Mensch käme und deinem Diener Anweisungen geben wollte? Du würdest doch sicher wollen, daß man mit dem Anliegen direkt zu Dir kommt, oder?

Es gibt auch Menschen, die machen Aufstellungen darüber, wieviele Diener der König wohl haben könnte, und mutmaßen, wie die Namen der Diener wohl sein könnten und wie man sie am besten rufen könnte. Das alles gefällt dem König überhaupt nicht.

Du fragst, warum ich jetzt plötzlich in der Gegenwart schreibe, lieber Leser. Nun, Du und ich, wir beide wohnen im Reich dieses Königs.